Karateverein Friedberg e.V.

Dojo-Etikette

Vom Bujutsu zum Breitensport – Dojo-kun im Karate oder was macht den Unterschied aus?

„…,dass es immer noch etwas gab, das ich lernen, das ich meistern musste.“[1]

Gichin Funakoschi, der als Initiator der Entwicklung des modernen Karate als Kampfsport gilt, stellt in seinen Memoiren[2] zuerst den gesundheitlichen Aspekt des Trainierens der Kampfkunst dar. Er berichtet von seiner Kindheit und seinem schwächlichen körperlichen Zustand, der ihn letztlich dazu veranlasst Karate zu trainieren, um körperlich „fitter“ zu werden.

Doch alle Karateka werden mit Sicherheit der Aussage zustimmen, dass Karate mehr ist als nur Sport, mehr als nur körperliche Weiterentwicklung und Kräftemessen mit einem Gegner. Auch werden sie zustimmen, dass Karate mehr ist als sportliche Grenzerfahrung, die auch Wirkung auf psychischer Ebene zeigt.

Zu verstehen sind diese Aussagen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Strukturen in denen diese und andere ähnliche ostasiatische Kampfkünste entwickelt wurden. In einigen Bereichen könnten sicherlich Parallelen zum mittelalterlichen europäischen Rittertum gezogen werden, wobei aber festgehalten werden muss, dass es sich in diesen Bezügen nur um bestimmte Aspekte in abgewandelter Form, zum Beispiel der Etikette, der traditionellen gesellschaftlichen Verhaltensnormen, handelt.

Das Bujutsu, die Kriegskunst, ist als Lehre des Kampfes, bei dem es letztlich um das Ergebnis, nämlich das Gewinnen eines Kampfes geht, zu verstehen. Das Budó als eine weiterentwickelte Form des Bujutsu widmet sich auch der „inneren“ Haltung des Kämpfenden, und soll auch die ethische, moralische und philosophische Weiterentwicklung des Trainierenden fördern. Aus dem Bujutsu, der Kunst des Krieges, wird in Kombination, mit dem , dem Weg, eine Form der Übung, deren Anspruch es ist, die Persönlichkeit des Übenden im positiven gesellschaftlichen Sinn zu formen.

Es ist zu vermuten, dass sich Gichin Funakoshi der Gefahr sehr deutlich und bewusst war, die mit dem Vermitteln der verschiedenen Kampftechniken einhergeht. Die Regeln, die als Handlungsleitfaden für die Trainierenden bestimmt sind, versuchen sich diesen Gefahren entgegenzustemmen. Immerhin werden im Karate Kampftechniken vermittelt und erlernt, die in der Anwendung zu ernsthaften Verletzungen oder im schlimmsten Fall zum Tod des Gegenübers führen können. Es ist plausibel, dass dies einer der Beweggründe war, weshalb Gichin Funakoshi, als einer der Vorreiter der Verbreitung des Karate als Jedermannsport, fünf grundsätzliche Regeln oder Gebote in den Vordergrund gestellt hat.

In diesen fünf Regeln oder Leitsätzen wird, welche in den verschiedenen Karate-Stilrichtungen unterschiedlich formuliert sind, das Betrachten des Verhältnisses des Trainierenden zu sich selbst und zur Welt an sich angemahnt, die persönlichen Ziele und unter welchen Bedingungen diese zu erreichen sind, die Form des Verhaltens, der Etikette und der damit einhergehenden Wirkung auf andere und das Gebot der Gewaltlosigkeit. Allgemein werden diese Regeln und Gebote als Dojo-kun bezeichnet. Allein aus der  Formulierung der Regeln wird zum Einen das durchaus gefährliche Potential deutlich, welches sich in dieser Form des Sports verbirgt, zum Anderen aber auch das Bemühen, um die gesellschaftliche Integrität und den moralischen Anspruch der Übenden.

  1. Betreibe das Karatetraining todernst.[3]
  2. Trainiere sowohl mit dem Herzen als auch mit der Seele.
  3. Vermeide Eingebildetheit und Dogmatismus.
  4. Versuche dich selbst zu erkennen und das Gute der Arbeit anderer anzunehmen.
  5. Halte an den ethischen Regeln des täglichen Lebens fest.

Als Shōtō-Niju-Kun werden weitere 20 Verhaltensregeln von Gichin Funakoschi genannt, welche die ersten fünf Dojo-Kun für die Übenden noch einmal präzisieren und eine recht praktische Anleitung für das Üben und Trainieren geben sollen.

  1. Vergiss nie: Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.[4]
  2. Im Karate gibt es keinen ersten Angriff.
  3. Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.
  4. Erkenne dich selbst zuerst, dann den Anderen.
  5. Die Kunst des Geistes kommt vor der Kunst der Technik.
  6. Lerne, deinen Geist zu kontrollieren, und befreie ihn dann von Unnützem.
  7. Unheil entsteht durch Nachlässigkeit.
  8. Karate ist nicht nur im Dojo.
  9. Die Ausbildung im Karate umfasst dein ganzes Leben.
  10. Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, das ist der Zauber der Kunst.
  11. Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig wärmst.
  12. Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.
  13. Wandle dich, abhängig von deinem Gegner.
  14. Der Kampf hängt von der Handhabung deiner Treffsicherheit ab.
  15. Stelle dir deine Hand und deinen Fuß als Schwert vor.
  16. Wenn man das Tor der Jugend verlässt, hat man viele Gegner.
  17. Das Einnehmen einer Haltung gibt es beim Einsteiger, später gibt es den natürlichen Zustand.
  18. Übe die Kata korrekt, der echte Kampf ist eine andere Angelegenheit.
  19. Hart und weich, Spannung und Entspannung, langsam und schnell, alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.
  20. Denke immer nach und versuche dich ständig am Neuen.[5]

 

Aus diesen elementaren Hinweisen für das Trainieren des Karate sollte für jeden Karateka deutlich werden, dass es beim Karate um mehr als nur Sport und fair play geht.

Den Initiatoren des Karate für Jedermann war es sehr wichtig diese Hinweise weiterzugeben und ganz eng mit der Leibesübung zu verknüpfen.

Man benötigt nicht viel Phantasie für die Vorstellung, dass es Gichin Funakoshi allein durch das bewusste Erleben hochdynamischer zeitgeschichtlicher Epochen, wie die Wandlung seiner Heimat vom bäuerlichen Feudalstaat zur industriellen Großmacht und das Erleben mehrerer großer Kriege und den damit verbundenen Schrecken und Folgen mit Sicherheit sehr am Herzen lag, Karate in eine Richtung zu entwickeln, die gesellschaftlich integer und für alle Interessierten ohne Vorbehalt angenommen werden konnte.

Auf dieser Grundlage ist es selbstverständlich, dass die Trainierenden, Trainer und Meister im Dojo Traditionen, Regeln und Gebote schaffen und achten, die letztlich auch das Reizvolle und Besondere des Karate ausmachen. Dies könnte man als Vereinbarung zwischen allen betrachten, die Karate lernen möchten. Auf jeden Fall ist es die Aufgabe der Trainer, Anfänger in diese Traditionen gut einzuführen, auch vor dem Hintergrund des Schutzes der Übenden, der Trainer, des Dojós und der Sportart oder Kampfkunst selbst vor Verletzungen und Missverständnissen.

  • Beim Betreten und Verlassen des Dojo wird gegrüßt.
  • Sei strebsam und engagiert.
  • Erscheine pünktlich zum Training.
  • Verletzungen und Einschränkungen vor dem Training mitteilen.
  • Im Dojo werden keine Schuhe getragen.
  • Der richtige Gruß zum passenden Zeitpunkt, im Stehen oder Knien.
  • Richtiger Umgang miteinander Geduld, Respekt, Wertschätzung, Rücksichtnahme.
  • Die Kleidung soll gepflegt und ordentlich sein.
  • Der eigene Körper soll sauber und gepflegt sein.
  • Nicht ungefragt aus der Reihe tanzen oder sich einfach dazu stellen, z. B. bei Verspätung.
  • Das Dojo während des Trainings nur nach Rückfrage verlassen.
  • Während des Trainings wird nicht gesprochen, Ausnahme: Pausen, Klärungen
  • Trinken ist nur während der Pausen erlaubt.
  • Schmuck und Uhren sind beim Training nicht erlaubt.
  • Üben was der Trainer vorgegeben hat.
  • Sei nicht neidisch, übe.
  • Schaue auf deine Technik und deinen Fortschritt, nicht was andere machen.
  • Bei Fragen oder Problemen in den Pausen oder nach dem Training an den Trainer wenden.
  • Bei Trainingsverletzungen, sofort den Trainer informieren.
  • Nicht verzweifeln oder aufgeben,  Übung macht den Meister. [6]

 

Einen besonderen Wert hat dies im Training mit Kindern und Jugendlichen, wo neben der körperlichen Ertüchtigung auch der pädagogische Aspekt einen hohen Stellenwert hat. Es ist vermutlich eine der schwierigsten Aufgaben Kampfkunst und Kampfsport zu lehren und gleichzeitig eine friedliche, nicht nur selbstbezogene Haltung so zu vermitteln, dass sie von den Lernenden angenommen, verinnerlicht und gelebt wird, und letztlich weitergetragen werden kann. In diesem Punkt sind alle höher Graduierten und Fortgeschrittenen gefragt. Sie sind die Vorbilder, die das Konzept des Dojo-kun, des Shōtō-Niju-Kun und der Dojo Regeln oder der Dojo Etikette authentisch leben und vorleben müssen.

(Marcus Krogmann)

Diesen Artikel könnt Ihr Euch als PDF herunterladen.

Quellen:

Gichin Funakoshi; Karate-dó Mein Weg,Werner Kristkeitz Verlag; Heidelberg 1993
Albrecht Pflüger; Karate für alle; Falken Verlag; Niedernhausen/ TS 1988
Hans Sarkowic (Hrsg.); Schneller, höher, weiter Eine Geschichte des Sports; Suhrkamp 1999
Klaus Hirsch; Karate kinderleicht erklärt; Gloor Verlag; München 2006

Aus dem Internet:

http://en.wikipedia.org/wiki/Gichin_Funakoshi
http://de.wikipedia.org/wiki/D%C5%8Dj%C5%8D
http://de.wikipedia.org/wiki/Bujutsu
http://www.karate-bergstrasse.de/
http://www.budopedia.de/index.php5/Hauptseite
http://www.karate-akademie-kassel.de/karate-akademie-kassel

Fußnoten

[1] Gichin Funakoshi; Karate-dó Mein Weg,Werner Kristkeitz Verlag; Heidelberg 1993, S. 22
[2] Gichin Funakoshi; Karate-dó Mein Weg,Werner Kristkeitz Verlag; Heidelberg 1993
[3] Gichin Funakoshi; Karate-dó Mein Weg,Werner Kristkeitz Verlag; Heidelberg 1993 S.134 ff.
[4] Übersetzung aus dem Japanischen ins Englische und dann ins Deutsch vom Autor: http://www.24fightingchickens.com/2007/04/16/nijukun-1/
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Funakoshi_Gichin (07.07.2013)
[6] http://www.karate-akademie-kassel.de/karate-akademie-kassel/ (07.07.2013)